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Aleksandar Ivanov - Die Rolle der Nuklearwaffenverbote im heutigen Friedenssicherungsrecht

Kurzcharakteristik:

Dass die Abrüstung dem Frieden dienen kann, ist ein Gedanke, der schon im Kants Werk „Zum ewigen Frieden“ seine Verankerung findet. Aus einer Reihe von aktuellen Anlässen untersucht diese Arbeit die genaue Rolle der Nuklearwaffenverbote im heutigen Friedenssicherungsrecht.

Im ersten Teil liefert die Arbeit einen rechtsvergleichenden Überblick über eine Vielzahl von Nuklearwaffenverboten. Dabei werden die unterschiedlichen Ansätze der Beschränkung von Nuklearwaffen ausgewertet – beispielsweise ein umfassender Vertrag zwischen Nuklearwaffen besitzenden und nicht besitzenden Staaten wie den Atomwaffensperrvertrag, nuklearwaffenfreie Zonen, bilaterale und multilaterale Vereinbarungen zur Verringerung der Zahl der nuklearen Sprengsätze, Exportkontrollvereinbarungen, Testverbote oder aber auch freiwillige Verzichte auf Erwerb und Besitz von Nuklearwaffen. Diese werden insbesondere im Hinblick auf ihre Verifikation, Sanktionsregime bei festgestellten Verstößen, Rücktrittsklauseln und Vorbehalte bei der Ratifizierung abgeglichen. Die letzteren Aspekte können ein objektives Urteil über die tatsächliche Bindungswirkung der existierenden Nuklearwaffenverbote ermöglichen.

Im zweiten Teil wird eine eventuelle Verfestigung eines Verbotes der Weiterverbreitung von Nuklearwaffen als Völkergewohnheitsrecht untersucht. Dabei ist besondere Aufmerksamkeit darauf zu richten, ob sich im Laufe der Zeit der Charakter der Nuklearwaffenverbote geändert hat. Ein eventuelles Völkergewohnheitsrecht wäre Indiz dafür, dass sie nicht einfach ein „Deal“ sind, der durch gegenseitiges Nachgeben zustande kommt und auf dem Prinzip „do ut des“ beruht. Vielmehr würde eine völkergewohnheitsrechtliche Grundlage einen besonderen Gerechtigkeitsgehalt der Nuklearwaffenverbote indizieren, wie ihn z.B. Bestimmungen der UN-Charta wie Art. 2 IV und Art. 51 nach einhelliger Ansicht besitzen. Dies könnte von erheblicher Relevanz bei der Verhängung von Sanktionen wegen bestimmter Verstöße gegen die Nuklearwaffenverbote und insgesamt von Bedeutung für die Beurteilung der Verstöße sein. Weiter ist auch ein möglicher seltener Fall der Entstehung von global geltendem Völkergewohnheitsrecht gegen den Willen von bestimmten Mitgliedern der Staatengemeinschaft zu ermitteln. Ein solches Völkergewohnheitsrecht, das schon an sich problematisch ist und mit dessen Entstehung sehr vorsichtig umzugehen ist, könnte die Nuklearwaffenverbote auf Staaten ausdehnen, die sich formell zu ihrer Beachtung vertraglich nie verpflichtet haben, wie Indien, Pakistan und Israel heutzutage.

Der dritte Teil der Arbeit setzt sich mit den möglichen Maßnahmen und Sanktionen auseinander, die an die Verstöße gegen die verschiedenen Nuklearwaffenverbote geknüpft werden können. Besondere Aufmerksamkeit verdient in dieser Hinsicht die Frage, ob generell bei jedem Verstoß gegen die existierenden Kontrollregime eine Bedrohung des Friedens i.S.v. Art. 39 UN-Charta anzuerkennen ist und, wenn nicht, wo die Schwelle dafür im Bereich der Nuklearwaffen liegt. Weiter ist als strengste Maßnahme auch die Möglichkeit einer präemptiven militärischen Intervention in Betracht zu ziehen. An dieser Stelle wendet sich die Arbeit Besonderheiten der Nuklearwaffen zu, indem auf die sehr breite Diskussion über die Rechtfertigung präemptiver militärischer Schläge nur in gebotener Kürze einzugehen ist.

Zum Schluss ist auf die Beweislastregeln, insbesondere auf vertraglich verankerte vertrauensbildende Maßnahmen einzugehen. Die wichtigste Frage lautet: Was soll ein Staat gebotenerweise tun oder unterlassen, um das Vertrauen anderer in der Friedlichkeit seines Atomprogramms zu gewinnen und sich einer eventuellen Anlastung eines Verstoßes mit anschließenden Sanktionen zu entziehen? In diesem Zusammenhang ist das Mindestmaß an der gebotenen Kooperation zu ermitteln. Insbesondere ist zu prüfen, inwieweit Staaten ein Recht auf sensitive Technologien wie Anreicherungs- und Wiederaufbereitungsanlagen oder ihren Aufbau und Nutzung verweigert werden kann.