zum Inhalt springen

Caroline von Gall - Die Konzepte „staatliche Einheit“ und „einheitliche Macht“ in der russischen Theorie von Staat und Recht

Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, 2009

Veröffentlichung:

Die Konzepte "staatliche Einheit" und "einheitliche Macht" in der russischen Theorie von Staat und Recht - Der Einfluss des Gemeinschaftsideals auf die russische Verfassungsentwicklung, Duncker & Humblot Berlin, 2010, 431 Seiten, ISBN 978-3-428-13308-6

Kurzcharakteristik:

Unter Präsident Putin ist in der Russischen Föderation eine verstärkte Betonung des Begriffs „Einheit“ (russ. „edinstvo“) im politischen und staatsrechtlichen Kontext festzustellen. Putin kündigte bereits mit seiner Wahl zum Präsidenten an, er werde die staatliche Ordnung erneuern, indem er die staatliche Einheit stärke und ausbaue. 

Die Arbeit geht der Frage nach, welche Bedeutung die Konzepte staatliche Einheit und einheitliche Macht heute in Russland haben. Es ist fraglich, wieweit die „Einheit“ des Staates als Ziel gesetzgeberischen Handelns in der Verfassung verankert ist, wie die Begriffe positivrechtlich auszulegen sind und vor welchem rechtstheoretischen Konzept sie entwickelt wurden. So ist die Betonung der Einheit des Staates und der einheitlichen Macht insbesondere deshalb verwunderlich, weil die RF nach der Verfassung gerade kein Einheitsstaat ist, sondern ein föderaler Bundesstaat, der sich durch die Verteilung staatlicher Macht auf mehrere unabhängige Ebenen auszeichnet und nicht durch eine einheitliche Gewaltenhierarchie.

Bei einem Blick in die russische Rechtsgeschichte erweisen sich die Begriffe „staatliche Einheit“ und „einheitliche Macht“ indes als zentral. In vorrevolutionärer, wie auch in sowjetischer Zeit verbarg sich dahinter ein Gesamtkonzept, wonach sich Einzelinteressen im Staat dem Ganzen unterordnen müssen, weil erst aus der Einheit des Staates Freiheit und Gerechtigkeit entstehen kann. Einheitliche Macht ist insofern nicht freiheitsgefährdend, als durch die Unterordnung der Einzelinteressen unter das gemeinsame Wohl eine Identität der Interessen von Volk und Regierenden erzeugt wird. Gewaltenteilung wurde in der Sowjetzeit als hinderlich erachtet, das gemeinsame Interesse effektiv umzusetzen.

Die Arbeit zeigt, dass traditionell gewachsene Staatsvorstellungen die eigenständige Geltung der Verfassung heute überlagern. Der Widerspruch zwischen den neuen westlichen Prinzipien wie der Gewaltenteilung und einer das subjektive Interesse schützenden Rechtsidee auf der einen Seite sowie der traditionell als richtig und notwendig erachteten gesellschaftlichen Geschlossenheit auf der anderen Seite wird gegenwärtig durch einen Rückgriff auf traditionelle Herrschaftsmuster gelöst.